Wien auf dem Weg in Post-Corona Zeiten

Wien auf dem Weg in Post-Corona Zeiten

Während Samir heute morgen ein Brot nach dem anderen in und aus dem Ofen schiebt, mache ich mich auf, dazu passendes Salz, Marmelade und Butter vom örtlichen Bauernladen zu besorgen. Andi ist Anfang der Woche in ihre neue Wohnung nach Wien gezogen - hatte auf dem Weg selbstverständlich in unserem neuen Haus vorbeigeschaut - und braucht jetzt zum Einzug natürlich mindestens Brot und Salz.

Kurz vor 13 Uhr sind wir dann nach gut 2,5 Stunden Fahrt (mit Zwischenstopp in Amstetten) in Wien. Die letzten 15km durch die Stadt mit vielen Ampeln ziehen sich am längsten. Wobei man auch sagen muss, dass dies gleichzeitig einer Stadtrundfahrt mit (fast) allen Sehenswürdigkeiten gleichkam: Schloss Schönbrunn, Jugendstil-U-Bahn-Häuschen, Naschmarkt, Karlsplatz, Stadtpark, Prater, bis wir schließlich am ehemaligen Nordbahnhof ankommen, wo auf dem früheren Bahnhofsgelände ein neues Viertel entseht und kräftig gebaut wird. Heute am Samstag stehen die Bauarbeiten still und es ist für eine Hauptstadt richtig schön ruhig. An Andi's Wohnhaus gibt es noch keine Namen an Klingel oder Briefkasten. Die Wohnung im 4. Stock ist schön hell mit Blick in einen großzügigen Innenhof mit Spielplatz, Sportplatz und viel Bewegungsfläche. In der Wohnung stehen noch einige Umzugskartons und die Küche fehlt noch. Das selbstgebackene Brot ist umso willkommener und wird gleich getestet.

Zwischen 2 und 3 machen wir uns dann zu einem Spaziergang auf. Zuerst über einen Fussgänger-Bahnübergang am Handelskai (was es alles gibt!) zur Donau. Dann entscheiden wir, statt Donaustrand heute lieber einen Stadrundgang zu machen. Als erstes kommen wir am Prater vorbei. Die Fahrgeschäfte stehen still, nur ein Airbrush Studio hat geöffnet. Einige wenige Menschen gehen spazieren. Es wirkt etwas gespenstisch. An der alten Donau möchte uns Andi den Blick aus dem SO/Vienna zeigen, von dem man einen Rundumblick über Wien haben soll, den besten zu Sonnenuntergang, wenn die Sonne die Deckenmalereien erleuchtet. Leider ist auch dieses Corona-bedingt geschlossen.

Als wir über die alte Donau gehen und nun die Innenstadt erreichen, wird der Trubel doch deutlich dichter und wir ziehen lieber die Schutzmasken auf. Beim Zanoni stehen im Vergleich zum Greissler noch relativ wenige Leute an und wir holen uns ein Eis. Ich hätte Andi als erstes bestellen lassen sollen, weil ich danach mit meiner Wahl nicht mehr 100% glücklich bin. Ihr "Marille & Zitrone" ist eine großartige Wahl!

Wir gehen weiter am Stephansdom vorbei, machen einen wirklich kurzen Stopp bei Apple und kommen sehr schnell zu dem Schluss, dass die Vorteile eines größeren 16" Bildschirms gegenüber einem möglichst leichten Reiselaptop überwiegen. Wer weiss überhaupt, wann wir das nächste Mal wieder reisen können.

Nachdem wir jetzt auch schon gute 6km gelaufen sind, setzen wir uns auf einen Kaffee in die Gerstner K. u. K. Hofzuckerbäckerei. Endlich kommt auch das richtige Wien Gefühl auf, als Andi auf die Frage, ob geöffnet sei, ein lautes "Nein, wir haben geschlossen! Deshalb ist die Tür auch auf!" erwiedert bekommen. Ja, es mag eine blöde Frage sein, aber nachdem Andi das letzte Mal eine Schlange bis auf die Straße vorgefunden hat und sich im Erdgeschoss nur ein Pralinenverkauf befindet, kann man das schon hinterfragen. 20 Minuten haben wir dann für einen Kaffee Zeit bevor geschlossen wird. Das Cafe im 2. Stock ist ein Prunkraum wie aus dem 18./19. Jahrhundert. Sehr chic. Im Vorzimmer spielt Klaviermusik aus einem Flügel. Die Tasten bewegen sich mit den gespielten Tönen, rein elektrisch gesteuert. Die Kellner tragen Masken. Am Tisch setzen wir unsere Masken ab und nehmen jeweils eine Melange.

Viertel vor 6 sind wir am Naschmarkt. Die Lokale inkl. das Neni haben schon auf. Auch hier laufen alle Kellner mit Mund-Nasen-Schutz oder mit Plexiglasscheiben wie Schweißermasken herum. Wir entscheiden uns für einen Tisch im Innenraum, nachdem es ein kleiner Raum im Nebengebäude mit nur 5 Tischen ist und es wohl mit der Zeit kühler werden wird. Zuerst versuchen wir uns selbst an der Speisekarte, dann überlassen wir es aber doch dem (sehr engagierten) Kellner, uns eine Auswahl zusammenzustellen. Zu unseren Kumquat Gin Tonic und Weißem Spritzer bekommen wir Karam Melanzani, Kibbeh mit Hummus, Lachsfilet, Ofenpaprika, Falafel und Brot. Alles sehr gut, der Hummus für meinen Geschmack mit ein bisschen zuviel bitterer Sesampaste/Tahini. Auch bei den Cocktails merkt man die Betonung der Bitternoten.

Nach dem Essen laufen wir an der Gräfin vom Naschmarkt vorbei und werde von den beiden aufgeklärt, dass das das schlechteste Lokal Österreichs und die absolute Touristenfalle ist. Umsatz wird nur mit den letzten Nachtschwärmern und ahnungslosen Touristen gemacht. Von der Oper fahren wir sehr bequem mit der Tram 2 bis zu Andi nach Hause und machen uns auch gleich auf den Weg nach Hause. Alles in allem ein wunderbarer Tag! Vielen Dank, Andi!

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